Bremsen entlüften(befüllen)

Ausgangssituation

Viele haben nach einer Revision der Bremsanlage Probleme das System wieder ordentlich zu entlüften beziehungsweise zu befüllen.

Ich habe schon viele Bremsen gemacht, habe vieles gelesen und mir so meine Gedanken gemacht. Als ich bei meiner FZ1 die Bremsanlage neu aufgebaut habe, habe ich das gleich zum Anlass genommen um meine Vorgangsweise fest zu halten.

 

Methode 1. Konventionell entlüften

Ist man zu zweit und gut eingespielt ist diese Methode immer möglich und auch sehr effizient. Ist man jedoch alleine wird es schwierig den Bremshebel dosiert zu ziehen und gleichzeitig die Entlüfterschraube zu öffnen und zu schließen.

Der Bremshebel wird gezogen bis sich Druck aufbaut und dann auf Druck gehalten. Eine Entlüfterschraube wird langsam geöffnet bis der Bremshebel fast ganz gezogen ist. Dann wird die Entlüfterschraube wieder geschlossen und der Bremshebel kann langsam losgelassen werden. Darauf achten dass immer genügend Bremsflüssigkeit im Ausgleichsbehälter ist.

 

Methode 2. Mit Vakuumpumpe entlüften/befüllen

Diese Methode ist zum Befüllen gut geeignet. Man bekommt recht schnell viel Bremsflüssigkeit ins System. Ach wenn man alleine ist kann man mit der Vakuumpumpe gut entlüften. Aber nur in Verbindung mit "Stahlbus Enlüfterventil"!

 

Problem 1. Falsche Luft durch das Gewinde an der Entlüfterschraube

Wird die Entlüfterschraube geöffnet ist das Gewinde nicht mehr dicht! Es kann Luft über das Gewinde zurück ins System gelangen. Entlüftet man mit einer Vakuumpumpe zieht man Luft über das Gewinde in den Absaugschlauch und man kann nicht feststellen ob noch Luft aus der Bremsleitung kommt.

Abhilfe kann nur eine Entlüfterschraube mit einer Dichtung oberhalb des Gewindes schaffen. Das gibt es aber nicht! Was es gibt ist ein Enlüfterventile von der Firma Stahlbus. Das hat eine Dichtung und zusätzlich ein Rückschlagventil. Siehe: Stahlbus Entlueftungsventile

 

Problem 2. Kein Druckpunkt. Wo ist Luft im System?

Gibt es keinen Druckpunkt und ist alles dicht, ist Luft im System.
Die Luft kann man nicht sehen, das macht die Sache leider so schwierig. Mit ein paar Tricks kann man sich aber etwas helfen.

Ein verstellbarer „Hilfslenker“ für die Bremspumpe erleichtert dessen Positionierung. Dazu später mehr.

Eine Makierung an den Hohlschrauben beim Bremssattel und bei der Bremspumpe, der die Richtung der Bohrung anzeigt. Das hilft mögliche Luftkammern zu orten.

Die Bohrungen für die Bremsflüssigkeit im Bremssattel herausfinden. Damit man weis wo die Luft entweichen kann.

Grundsätzlich muss das ganze Leitungsgedönse so ausgerichtet sein, dass keine Bögen und Adapter im Weg sind und ein stetes Gefälle von oben bis unten gewährleistet ist. (Einige Bögen machen wir dann doch).

Die Luft muss Gelegenheit haben sich den Weg nach oben zu suchen und in den Vorratsbehälter zu gelangen.
Bei geschlossenen Entlüfterschrauben laaaaangsam pumpen.
Es ist absolut sinnlos, in diesem Stadium den Hebel ständig bis zum Anschlag zu ziehen!
Gelegentliches Klopfen an der Leitung hilft, festhängende Blasen zu lösen.
Wer nun langsam pumpt, bei vollem Vorratsbehälter, der bringt bei jedem Pumpenhub immer wieder ein wenig Flüssigkeit ins System und wird beim Loslassen des Hebels mit ein paar Blasen belohnt.

Erst wenn der erste zarte Druckpunkt auftaucht darf man die Entlüfterschrauben dann mal kurz öffnen.

Wichtig hier:
Schraube NUR bei gezogenem Hebel öffnen und VOR dem Loskassen des Hebels wieder schließen.
Wird der Druckpunkt mit der Zeit deutlicher, dann ein paar Male pumpen bis der Druckpunkt klar fühlbar ist. Nun die Schraube öffnen und während des Ziehens am Hebel wieder schließen.
Jetzt darf man auch den gasamten Hubweg der Pumpe nutzen, was vorher nur kontraproduktiv ist.

Und gaaanz wichtig: Bremskolben ganz rein schieben und in dieser Stellung fixieren.

Zuerst die Bremssättel. Begonnen wird mit dem Sattel, der am weitesten von der Bremspumpe entfernt ist. Also der mit den längsten Bremsschlauch.
Danach wird die Bremspumpe entlüftet.

 

Vorbereitung

Hohlschraube

Die Hohlschrauben haben eine Bohrung (rechtwinkelig zur Schraubenachse). Diese markieren, damit man weis wie das Loch verläuft wenn die Schraube angezogen ist. Ein kleiner Kratzer mit einer Feile am Sechskant reicht aus. Das kann später beim Entlüften recht hilfreich sein. Am Bild kann man die Bohrung erkennen.

 

Bremssattel

Die Kolben ganz in den Sattel zurück schieben und fixieren. Ich nehme dazu alte Bremsbeläge und stecke diese in den Zwischenraum, zwischen die neuen Beläge. Belag auf Belag, sodass die Kolben ganz nach hinten gedrückt werden. Der restliche Zwischenraum wird mit Karton und Keile fixiert. Aber keine Wellpappe verwenden. Dabei soll noch keine Bremsflüssigkeit im Ausgleichsbehälter sein, sonst kann dieser beim Zurückdrücken der Kolben überlaufen.
Die Bremssättel werden dann neben dem Vorderrad aufgehängt, damit man sie frei bewegen kann.

 

Bremspumpe

Ein „Hilfslenker“ aus zwei Schellen, einem Winkel und einem Kupferrohr wird gebastelt. Dort wird die Bremspumpe provisorisch montiert. Jetzt kann diese leicht in jede Position gedreht werden die man braucht. Mehr Bewegungsspielraum mit den Bremsleitungen hat man dadurch auch.

Die Bremspumpe so ausrichte dass der Abgang zum Ausgleichsbehälter leicht nach oben zeigt. Der Ausgleichsbehälter soll möglichst waagrecht stehen.

 

Befüllen
Zuerst befülle ich alles mit der Vakuumpumpe von oben nach unten.

Alle Schläuche müssen dicht sein. Eventuell mit Schlauchklemmen fixieren. Die Vakuumpumpe darf den aufgebauten Druck nicht verlieren. Jetzt wird das Stahlbus Enlüfterventil langsam geöffnet bis Bremsflüssigkeit kommt und dann wieder rechtzeitig geschlossen. Den Ausgleichsbehälter im Auge behalten, dass er immer gefüllt ist.

Das Ganze am zweiten Bremssattel wiederholen. Und auch noch bei der Bremspumpe. Die Bremspumpe dabei leicht im Kreis bewegen, so kommt zu Beginn viel Luft raus.

Jetzt ist noch kaum ein Druckpunkt vorhanden weil sich noch viel Luft in den Bremssättel befindet.
Weiter geht es mit dem Entlüften.

 

Entlüften
Als Erstes beginne ich bei geschlossenen Entlüfterschrauben langsam zu pumpen.
Kurze, langsame Hübe und den Hebel nicht bis zum Anschlag ziehen. Mit dem Gummihammer leicht gegen die Bremssättel und mit dem Hammerstiel leicht auf die Bremsschläuche klopfen, damit sich Blasen lösen können.

Der erste leichte Druckpunkt ist zu spüren. Den Bremshebel kann ich aber noch bis zum Anschlag durch ziehen.

Jetzt beginne ich mit den Bremssätteln. Zuerst der, der von der Pumpe am weitesten entfernt ist. Bei mir ist das egal da beide Bremsschläuche gleich lang sind. Ich beginne rechts.

Die 4 Kolben werden langsam und vorsichtig heraus gepumpt, müssen aber vor dem Herausfallen gesichert werden. Ich lege dazu ein passendes Alustück zwischen die Kolben. Die Bremszange füllt sich mit Bremsflüssigkeit und unter den Kolben stehen jetzt die verbliebebnen Luftblasen. Dann hänge ich den Sattel etwas höher. Er soll sich höhenmäßig etwa zwischen Bremsscheibe und Bremspumpe befinden. Der Bremsschlauch soll dabei einen kleinen Bogen nach oben machen. Siehe Zeichnung.








Dann werden die Kolben wieder ganz nach innen gedrückt. Dabei wird der Sattel so bewegt, dass die Luft durch die Bohrungen nach oben gedrückt wird. Von Kolbenloch zu Kolbenloch und weiter zur Entlüftungsschraube. Darum sollte man den inneren Aufbau vom Bremssattel kennen.

Bremszange P4 34/34 offen. Bohrungen für die Bremsflüssigkeit rot markiert.

Man beginnt auf einer Seite mit den unteren Kolben und danach den oberen Kolben. Dann werden auf der anderen Seite die Kolben hinein drücken.
Wenn alle 4 Kolben wieder ganz hinein gedrückt sind, wird mit der Vakuumpumpe am Sattel entlüftet. Die herausgedrückte Luft steigt nur bis zum Bogen vom Bremsschlauch auf und kann so leichter abgesaugt werden. Ohne Bogen in der Leitung besteht die Gefahr dass die Luft in der dünnen Bremsleitung nur hin und her geschoben wird.

Nun das Gleiche mit dem zweiten Bremssattel.

Die Bremszangen werden wieder auf Normalhöhe herunter gelassen und jetzt wird wieder bei geschlossenen Entlüfterschrauben langsam gepumpt. Etwa 20 mal pro Seite und dabei immer leicht auf Bremssattel und Bremsschlauch klopfen.

Diese Prozedur mit den Bremssätteln habe ich 3 mal wiederholt. Und der Druckpunkt wird besser.

Am Ende wird noch die Bremspumpe auf konventionelle Art entlüftet. Auch hier darauf achten, wo sich die Bohrung in der Hohlschraube befindet und die Bremspumpe dementsprechend dabei drehen und hin und her bewegen.

 

Fazit
Das Neu befüllen und entlüften ist mit den P4 Bremszangen etwas schwieriger, weil es nur einen Zulauf für die Bremsflüssigkeit gibt. Die Luft kann daher nicht so leicht aus dem Sattel entweichen. Die dünnen Stahlflex Leitungen machen es auch nicht leichter, müssen aber sein.

Der Aufwand hat sich aber gelohnt. Nach langwieriger systematischer Arbeit ist der Druckpunkt perfekt. Knallhart nach sehr kurzen Hebelweg.

 

Viel Spaß beim Entlüften. Arrivederci Karl.

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Karl Valachovic  •  Wien   •  Design & Inhalt © 2010  Karl Valachovic